Neues aus der IGS

3. Oktober,Tag der Deutschen Einheit an der IGS HCMC
4 Okt 2019

Wie „unterrichtet“ man den Tag der Deutschen Einheit?

Historische Ereignisse erzeugen unterschiedliche Narrative und Ansprüche auf Deutungshoheit. Bei der Beschäftigung mit historischen Begebenheiten stützt man sich notwendigerweise auf vorhanden Quellen und trifft gezwungenermaßen eine Auswahl von Themen und Perspektiven, was im Grunde die Gefahr der Manipulation der Zuhörerschaft birgt.

3. Oktober,Tag der Deutschen Einheit an der IGS HCMC

Daher war es uns sehr wichtig, uns am Tag der Deutschen Einheit möglichst viele Zeitzeugen zu Wort kommen zu lassen.
Der Projekttag zum 3. Oktober, an dem die Klassen 7-10 teilnahmen, wurde von unserer Generalkonsulin Dr. Wallat eröffnet. Gespannt lauschten die Schüler den anschaulichen Geschichten und Begebenheiten, welche sie mit diesem Tag verbindet. Vor der Eröffnung sangen die Klassen 5 und 6 die Schulhymne in Begleitung von Ruben Viertel.

Stellen Sie sich vor, ein 16-jährigers Mädchen aus Köln und ein 16-jähriger Junge aus der DDR wären sich 1987 in Prag begegnet. Sie tauschten ihre Adressen und schrieben sich fortan Briefe, in denen sie sich von den Erlebnissen auf der jeweils anderen Seite der Grenze berichteten. Diese fiktiven Briefe mit Episoden aus dem Leben der beiden Jugendlichen wurden auf der kleinen Bühne der Bibliothek vorgelesen.

Bereits in den Sommerferien organisierten unsere Lehrkräfte ein Interview mit einem Zeitzeugen. Heute war es nun soweit. Die Schüler hatten sich im Geschichtsunterricht auf das Thema vorbereitet.  Alle schauten gespannt auf den Bildschirm. Dann bewegte sich etwas und das Bild eines  60-jährigen Mannes, der zunächst scherzend in das Gespräch einstieg, erschien auf dem Bildschirm. Siegbert Schefke – Er erlebte nicht nur die friedlichen Revolution von 1989 persönlich, sondern wuchs auch in der DDR auf.

Natürlich hatten unsere Schüler auch Fragen zu seinen Erlebnissen als Jugendlicher und seiner Schulzeit, die sich z.T. auch aus dem am Vorabend gesehenen Film „Das Leben der Anderen“ ergaben.

Einen sichtbaren Abschluss des Projekttages bildeten die Friedenstauben mit Wünschen für die Zukunft.

3. Oktober,Tag der Deutschen Einheit an der IGS HCMC 3. Oktober,Tag der Deutschen Einheit an der IGS HCMC

 

 

 

 

3. Oktober,Tag der Deutschen Einheit an der IGS HCMC3. Oktober,Tag der Deutschen Einheit an der IGS HCMC

3. Oktober,Tag der Deutschen Einheit an der IGS HCMC3. Oktober,Tag der Deutschen Einheit an der IGS HCMC

Geschichte und Geschichten
International German School HCMC (IGS) feiert Tag der deutschen Einheit
mit Projekttag und Zeitzeugengespräch

Der Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung jährt sich zum 29. Mal – die Stadt Kiel lädt ein zum Bürgerfest. Doch während deutsche Schülerinnen und Schüler sich über einen schulfreien Tag Anfang Oktober freuen dürfen, bekommen Lernende an der International German School in Ho-Chi-Minh-Stadt die Möglichkeit, die Bedeutung des höchsten deutschen Feiertags beinahe hautnah zu erleben.

Weit entfernt vom ehemals geteilten Deutschland hatten Lehrkräfte mehrerer Fachbereiche bereits zum Ende des letzten Schuljahres mit der Planung eines Projektnachmittags begonnen. Ziel der verschiedenen Aktionen sollte es sein, die Kinder für die Bedeutung dieses historischen Ereignisses zu sensibilisieren und die damit verbundenen Werte zu vermitteln.

Die IGS als Begegnungsschule unterrichtet zu einem großen Anteil vietnamesische und andere nicht-deutscher Kinder. Die Schwierigkeit bestand also darin, diesen Kindern den Kontext zum Tag der deutschen Einheit zu vermitteln.
Bereits zwei Wochen vor dem eigentlichen Feiertag wurde daher den Klassen 7 bis 10 im Geschichtsunterricht immer wieder in kleinen Einheiten die deutsch-deutsche Geschichte nahegebracht. In der Auseinandersetzung mit einem Bereich der Welt, die für die meisten der Schülerinnen und Schülern fremd ist, stießen die Klassen auf für sie interessante Ereignisse und Begebenheiten. Von Themen wie Mauerbau und Flucht, Kindheit und Schulzeit bis zur friedlichen Revolution und dem eigentlichen Prozess der Wiedervereinigung erarbeiteten die Klassen interessante Fragen für ein geplantes Zeitzeugeninterview.

Nach einem Grußwort der deutschen Generalkonsulin in Ho-Chi-Minh-Stadt, Frau Dr. Wallat, starteten die Klassen der Sekundarstufe in ihren Projektnachmittag.
Die Generalkonsulin berichtete von ihren eigenen Erinnerungen aus der Schulzeit in Westberlin und von jenen Geschichten, welche sie selbst über die Jahre vom Mauerfall erzählt bekommen hatte. Sie bemerkte am Ende, dass dieser Tag ein Tag der Freude für Deutschland sei.

Anschließend bekamen die Schülerinnen und Schüler einen fiktiven Briefwechsel zwischen dem Schulleitungsteam der IGS vorgespielt. Aufgewachsen auf beiden Seiten der Mauer, berichten Dirk Thormann aus dem Osten und Heide Schaffer aus dem Westen von ihren Erfahrungen über Schule, Studium und Zeit bei der Armee. Die beiden Personen aus dieser Perspektive kennen zu lernen, war für die Kinder spannend, und sie hörten gefesselt den Erzählungen der beiden zu.

Um 14:15 Uhr vietnamesischer Zeit – 9:15 Uhr in Deutschland – war es dann soweit. Live aus Kiel zugeschaltet meldete sich Siegbert Schefke zum Interview. Schefke, Mitbegründer der oppositionellen Umweltbibliothek Berlin und Autor des Buches “Als die Angst die Seiten wechselte”, gewährte den Schülerinnen und Schülern Einblick in ein ganz anderes Leben in Ostdeutschland. Er schilderte, wie er bereits als Schüler Abneigung gegen das System der DDR empfand, wie er selbst gedrehte Filme mithilfe von Diplomaten in den Westen schmuggelte, die Schikane durch die Staatssicherheit erlebte und wie er täglich das Gefangensein hinter der Mauer spürte. Sichtlich gefesselt von der Lebensgeschichte verging die Zeit wie im Flug und am Ende mussten wir uns leider viel zu früh von unserem Gast wieder verabschieden.

Wann wird aus Geschichten denn Geschichte? Diese Frage sollten die Klassen 7 bis 10 im Anschluss diskutieren und ihre Erfahrungen mit dem Zeitzeugengespräch reflektieren. Im Klassenverband realisierten die Schülerinnen und Schüler, dass sie den ganzen Tag Geschichten gehört haben. Daraus Geschichte zu rekonstruieren und sich über die Grenzen ihrer Konstruktion klar zu werden, wird die Aufgabe in den kommenden Wochen im Ethik- und Geschichtsunterricht sein. Damit bleibt dieser Tag nicht losgelöst, sondern erfährt die verdiente Wertschätzung im Unterrichtsgeschehen und hilft hoffentlich dabei, einen nachhaltigen Lernprozess über den Tag der deutschen Einheit in Gang zu setzen.

Abschließend muss auch den Kolleginnen und Kollegen der Klassenstufe 1 bis 6 gedankt werden, die parallel dazu ein altersgerechtes Programm entwickelt und absolviert haben.

Geschichtsbewusstsein kennt keine Altersbeschränkung und daher ist eine frühe Entwicklung dieser Kompetenz nur zu begrüßen. Abgerundet wurde der Tag damit, dass die Lernenden aufgrund ihres heutigen Wissenszuwachs Wünsche für die Zukunft formulierten und diese in Form vieler selbst gefalteter Origami-Friedenstauben im Schulhaus ausgehängt wurden.

Vielen Dank an Herrn Schefke und sein Team in Deutschland, die diesen Austausch möglich gemacht haben. Vielleicht ergibt sich für unsere Schülerinnen und Schüler in Zukunft ja die Option, ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht mit diesem interessanten Zeitzeugen zu führen.

Felix Streich