Ratgeber Online-Unterricht für Deutsche Auslandsschulen
An der International German School HCMC (IGS) wird seit 6 Wochen ausschließlich online unterrichtet. Gern möchten wir anderen Schulen unsere Erfahrungen und einige Empfehlungen hiermit zur Verfügung stellen.
Video zum Online-Unterricht an der IGS
Folgende Fragen sollten Sie klären, bevor der Online-Unterricht startet:
- Welche ICT-Kenntnisse sind bei Lehrenden, Lernenden und Eltern vorhanden?
- Auf welche IT-Infrastruktur können Sie zurückgreifen?
- Welche methodischen Anpassungen sind in der Unterrichtsplanung erforderlich?
- Auf welche Weise informieren Sie Eltern/Sorgeberechtigte über Form, Ablauf, Voraussetzungen und Ziele des Online-Unterrichts und stellen ggf. Hilfe für Eltern, Schüler, Lehrende bereit?
Welche Voraussetzungen haben wir vor der Umstellung auf den Online-Unterricht geschaffen?
- Gründung einer Task Force mit ICT-affinen Lehrkräften aus allen Schulstufen, ggf. Elternvertretern
- Sicherstellung einer stabilen Internetverbindung in der Schule und zu Hause
- Sollte keine Bring Your Own Device Policy (BYODP) vorhanden sein, muss das Vorhandensein von Laptops/ ggf. Tablets (Klasse 1-3) abgesichert werden. Mobiltelefone sind als Ersatz ungeeignet.
- Hinweise zum Einrichten des Arbeitsplatzes zu Hause bestehend aus Online-Arbeitsfläche und Offline-Arbeitsfläche, bequemem Sitz und guten Lichtverhältnissen
- Verwendung von Kopfhörern absichern!
- Einrichtung eines Online-Helpdesk (EdTech Coach ist in allen virtuellen Klassenzimmern eingeloggt und steht für Unterstützung bereit.)
- IT-Helpdesk für technische Unterstützung (Probleme mit der Internetverbindung, Hardware, etc.)
- Abholung von Materialpaketen/ Lehrbüchern muss geregelt werden. (Gerade im Online-Unterricht sollten die Screen-Expositionszeiten reduziert werden. Somit ist es wichtig, dass die Kinder auf traditionelle Bücher zugreifen können.)
- Frühstück, Mittagessen, Snack am Nachmittag sicherstellen
Tutorials für Lehrkräfte:
- Google Classrooms/ Moodle
- Zoom/ Google Meet
- Erstellung/ Versenden von Videos
- Seesaw (Klassen 1-3)
Wenn o.g. Voraussetzungen geschaffen worden sind, geht es hier weiter mit:
- der Einrichtung virtueller Klassenzimmer (falls noch nicht vorhanden), z.B. mit Google Classooms oder Moodle
- E-Mail an die Schüler/ Eltern mit Online-Stundenplan (Klick auf das Fach) und Navigation zum virtuellen Klassenraum des Klassenlehrers. Die erste Online-Stunde ist Klassenlehrerstunde, in der Festlegungen zur Durchführung des Online-Unterrichts gegeben werden:
Festlegungen für den Online-Unterricht
- Alle Schüler*innen tragen Kopfhörer.
- Zur Vermeidung von Hintergrundgeräuschen sind die Mikrofone der Schüler*innen
zunächst ausgeschaltet. (An- und Ausschalten mit SuS den unteren Klassen einmal üben) - Jeder Unterricht beginnt mit einer Begrüßung und endet mit einer Verabschiedung.
- Kontrolle der Anwesenheit (Klassenbücher, Elektronisches Klassenbuch, ggf. ruft Schulbüro an, falls Schüler zu spät oder nicht im virtuellen Klassenzimmer.)
- Es spricht immer nur eine Person!
- Regeln zur Verwendung der Chatfunktion (Schüler chatten gern, wenn der Lehrer/die Lehrerin erklärt. ;-))
- Mobiltelefone dürfen nur für Unterrichtszwecke, z.B. zum Fotografieren/ WhatsApp-Funktion verwendet werden.
- Informationen darüber, wie ein enges Feedback bzw. eine Bewertung der Leistungen erfolgt:
Methodische Hinweise zu Lernstandserhebungen/ Prüfungen:
- Belehrung Betrugsversuche/ Academic Honesty (Schließen von Chats, etc.)
- Raum/ Arbeitsbereich mit Kamera abfahren, bevor Prüfung beginnt
- Schreibphasen mit Kamera beobachten/ Schreiben auf Google Docs, um Schreibphase nachzuverfolgen oder handgeschriebene Texte
- Verwendung von Plagiatssoftware, z.B. Turn it in
- Verwendung von Aufgabenstellungen, die Eigenkreativität zur Lösung erfordern oder eine Kombination aus mündlichem und schriftlichem Test darstellen
- Ungeplante Zwischenfragen, um Auswendiglernen/ Ablesen zu vermeiden/ Kreative Arbeitsaufträge
Möglichkeiten der Leistungsüberprüfung
- Mündliche Leistungskontrolle einzeln oder in Gruppe
- Stundennoten für Qualität der Beiträge
- Durchführung/ Auswertung von einfachen Experimenten/ Versuchen oder Lehrerversuch à Auswertung/ Protokoll
- Erstellung von Sammlungen
- Abzeichnen und Beschriften von Orignalpräparaten (Pflanzen)
- Unterrichtsprotokolle
- Google Forms – live im Unterricht mit Zeitbegrenzung
- Vortrag/ Referat/ Präsentation im online-meeting oder
- Erstellung eines Lernvideos zu einem vorgegebenen Thema
- Erstellung eines Quiz in Quizlet für die Mitschüler
- Erstellung von für ein Wiki (z.B. mit Wikimedia)
- Erstellung eines Podcast zu einem Thema
- Exit tickets
- Kreative Texte
- Durchführen eines Interviews
- Hausaufsatz
- Vorbereitung und Durchführung einer Diskussion online
- Erstellung eines Blogs zu einem Thema
- Entwickeln von Fragen zum Text
- Scripte / Storyboards anfertigen
Welche besonderen Erfahrungen haben wir sammeln können?
- In den unteren Klassen ist in Abhängigkeit von den Kompetenzen der Schüler*innen mehr oder weniger starke Unterstützung durch die Eltern erforderlich.
- Hintergrundgeräusche sind zu vermeiden, indem Schüler a) Kopfhörer tragen b) nur dann zugeschaltet werden, wenn Austausch notwendig ist b) ein ruhiger Arbeitsplatz vorhanden ist.
- Die fehlende Interaktion in der Schule muss zielgerichtet von den Eltern z.B. durch Ausflüge, gemeinsame Spielabende etc. kompensiert werden.
- Die Schüler*innen müssen unbedingt über online vermittelten Gymnastik-Sequenzen oder das Schwimmen weitere Sportangebote wahrnehmen.
- Klassenräume sind normalerweise private Räume. Im Online-Unterricht sind mitunter Geschwister, Eltern, Besucher, Haustriere ebenfalls mit dabei.
- Im virtuellen Klassenzimmer ist es deutlich schwieriger und manchmal unmöglich Augenkontakt und Körpersprache als Verstehenssignale zu deuten.
- Einige Schüler*innen sind aufgrund der Kopfhörer konzentrierter, mitunter werden sonst schüchterne Schüler*innen im Online-Unterricht deutlich aktiver; bei anderen Schüler*innen tritt das Gegenteil auf.
- Vorhandene ICT-Kenntnisse sind wichtige Erfolgsfaktoren für eine schnelle Umstellung auf reinen Online-Unterricht. (An der IGS wird ICT als Schulfach ab Klasse 3 unterrichtet. Alle Schüler*innen verfügen über eine E-Mail-Adresse. In den Fächern Geschichte, Geografie, z.T. Deutsch werden interaktive Lehrbücher verwendet. Die Klassenräume sind mit Apple-TV ausgestattet.)
- Die Unterrichtmethodik online unterscheidet sich von jener im Klassenzimmer. (Hebt die Hand, wenn ihr etwas nicht verstanden habt, wird zu: “Sendet mir eine Nachricht. usw.)
- Der Online-Unterricht erfordert ein höheres Maß an Selbstorganisation bei den Lernenden.
Wie können Sie die Screen-Zeiten im Online-Unterricht reduzieren?
- Stillarbeitsphasen neben dem Computer
- Einsatz von Lehrbüchern und Arbeitsblättern
- Führen von Interviews
- Entwicklung eines Puppenspiels, welches aufgezeichnet wird
- Arbeit mit Wochenplänen
- Freie Aufgabenstellungen, an denen die SuS längerfristig arbeiten
- Hör- oder Leseaufgaben
- Produktion von Hörtexten
- Erstellung von Lernplakaten
- Konzept schreiben
- Versuche, Beobachtungen mit Protokoll, Zeichnen von Objekten und Beschriften
- Szenische Darstellung einüben und Video erstellen
- Lernvideos für Mitschüler
- Lerntagebücher offline
- Handgeschriebene Texte -> Screenshot
- Sammlungen/ Sektionen/ Versuche / Pflanzen etc.
- Zeichnungen
Welche Empfehlungen geben unsere Lehrkräfte?
- SuS arbeiten in den Arbeitsphasen möglichst in ihren Schulbüchern und Arbeitsheften, um die Bildschirmzeit sinnvoll zu reduzieren.
- Einbindung der Eltern in Klassenstufen 1-3 erforderlich (unter Umständen 4-6)
- Gemeinsamer Einstieg (mit Bild und Ton), Erarbeitungsphase (ohne Bild und Ton), gemeinsamer Abschluss (mit Bild und Ton);
- Lehrer ist in allen Phasen ansprechbar und steht den SuS bei Fragen zur Verfügung. (nur schriftlich, da sonst alle anderen gestört werden) – es braucht die Möglichkeit für Gespräche zw. einzelnen SuS und dem KL, damit die anderen durch Zwischenfragen nicht gestört werden
- PC, Laptop oder Ipad (kein Mobiltelefon)
- Auch wenn die jeweilige Aufgabe im Schulbuch oder Arbeitsheft zu finden ist, empfiehlt es sich, diese vorab zu fotografieren und dann über shared screen mit den SuS zu besprechen (so schauen die Schüler*innen auf den Bildschirm und somit zur Lehrkraft und nicht nach unten in ihr Buch).
- Bei der Einführung von neuen Unterrichtsinhalten, z.B. in Mathematik, über shared screen die jeweilige Aufgabe gemeinsam besprechen und gleichzeitig korrekt auf der Seite eintragen, sodass die SuS auf jeden Fall die richtige Lösung aufschreiben.
- Aufteilung der Klasse in Gruppen, Dauer pro Unterrichtszeit für Klasse 1 – 3 maximal 45 Minuten, längere Pause offline und Übungsaufgaben bis zur nächsten Unterrichtszeit
- Jüngere SuS kurz vor Beginn des Unterrichts an nötige Materialien erinnern, damit sie nicht nach Beginn erst anfangen, diese zusammenzusuchen
- SuS können sich in der Erarbeitungsphase (offline) über den Chat oder kurz über Mikrofon melden.
- SuS dürfen ohne die ausdrückliche Erlaubnis des Lehrers keine Einstellungen im Online-Unterricht verändern (so dies die Plattform zulässt)
- Rhythmisierter Schultag: SuS sollten sich in eingeplanten Phasen sportlich bewegen/nach außen gehen/sportlich betätigen. Die Sportlehrer können hierzu Arbeitsaufträge erteilen, Videoclips erstellen usw. (Häusliche Bedingungen beachten: Spielplatz/ Sportflächen/ Pool im Haus/ vor der Haustür vorhanden? Luftwerte oder gibt es ggf. praktische Aufgaben aus dem Kunst- und Musikunterricht, z.B. Body Percussion
O-Töne unserer Lehrkräfte…
Franziska Barnickel: Als EdTech Coach bin ich begeistert, mit wie viel Motivation und ohne jegliche Einwände die Lehrer*innen aller Altersklassen den Unterricht auf igs_online umgestellt haben. Vor allem aber auch der Umfang des Lehrkörpers und den meist überschaubaren Klassengrößen machten eine schnelle und effiziente Umstellung erst möglich. Sowohl Lehrende als auch Schüler*innen konnten auf ihre oft jahrelange Erfahrung an der IGS mit der Google Suite for Education zurückgreifen und durch die Kombination mehrere Applikationen konnte die geplante Übermittlung des Unterrichtsstoffes und oft sogar unterschiedliche Sozialformen beibehalten werden. Als Team hat uns igs_online sicherlich zusammengeschweißt und den Austausch von Erfahrungswerten und Arbeitsmethoden gefördert. Trotz des Erfolgserlebnisses freuen wir uns auch darauf, die Schüler*innen bald wieder mehr als zweidimensional begrüßen zu dürfen.
Übrigens: Seit 3 Jahren gebe ich als DAF/ DaZ-Verantwortliche einen wöchentlichen DaF-Newsletter mit Online-Ressourcen für die SuS heraus. Die letzten Ausgaben finden Sie hier.
Nico Bösinger: Als Klassenlehrer der Klasse 4 und Koordinator der Mittelstufe ist es interessant und spannend mitzuerleben, wie die Schüler*nnen und natürlich auch das Kollegium mit der besonderen Situation umgehen. Sehr hilfreich war es, dass die Schüler*innen wie auch die Lehrer*innen bereits vor “IGS_online” über ein durchaus hohes Maß an digitalen Kompetenzen verfügten. Ausschlaggebend für das Gelingen des Onlineunterrichts sind jedoch auch das große Engagement des Kollegiums sowie eine bemerkenswert hohe Motivation der Schülerschaft. In regelmäßigen Treffen der Lehrerschaft wird der Onlineunterricht gemeinsam evaluiert und entsprechende Maßnahmen ergriffen. Die daraus entstandenen Erfahrungswerte werden dokumentiert und in unser bestehendes Medienkonzept integriert. Mimik und Gestik sind wirksame und bedeutsame Werkzeuge beim Unterrichten, gerade im sprachsensiblen Fachunterricht. Daher freuen wir uns sehr darauf, unsere Schüler*innen wieder live und in Farbe in unseren Klassenzimmern begrüßen zu dürfen.
Hier noch ein paar Worte zu den Besonderheiten in der Grundschule
von Heide Schaffer
(Stellv. Schulleiterin und Leiterin der IGS Grundschule)
Auch in der Grundschule lässt sich Online Unterricht nachhaltig und für alle Seiten gewinnbringend implementieren. Anders als in der Sekundarstufe kann man den Stundenplan natürlich nicht eins zu eins in einen Online-Plan umwandeln.
Im Gegensatz zum Unterricht im realen Klassenraum ist es wichtig, dass man für den Online Unterricht Gruppen einteilt. Die Gruppengröße sollte bei leistungsstarken Schülern nicht mehr als sieben betragen. Eine optimale Gruppengröße liegt bei 3-6 Lernern. Die Erfahrungen zeigen dabei, dass eine möglichst homogene Lerngruppe das Online Unterrichten erleichtert und einen der Gruppe angepassten Unterricht ermöglicht, sodass die Lehrpersonen einen entsprechenden Schwerpunkt legen können.
Wie bereits erwähnt, ist für den Online Unterricht ein angepasster Stundenplan zu erstellen. Es haben sich sogenannte Kernzeiten bewährt. Für die Klassen 1 und 2 scheint eine Arbeitsphase von 30 Minuten, mit anschließender Übungsphase von 15 Minuten sinnvoll. Auch die Inhalte des Stundenplans sind auf die sogenannten Kernfächer Deutsch, Mathematik, Sachkunde und Englisch reduziert, die gut online abgedeckt werden können. Interessant ist, dass die Unterrichtsphasen, die der Rhythmisierung dienen, sich kaum vom realen Unterricht unterscheiden, wobei ein ritualisierter Einstieg in die Stunde sowie ein gemeinsamer Abschluss neben dem pädagogischen Sinn auch eine Überprüfung der Anwesenheit bedeutet.
Der Kontakt zu den Eltern und der enge Austausch mit ihnen ist ein wichtiges Merkmal guten Online-Unterrichts. Nach Bedarf kann es täglich kurze Informationsbriefe mit allgemeinen Hinweisen und Hausaufgaben geben. Vor allem in Klasse 1 ist eine enge Zusammenarbeit zur Unterstützung der Schülerinnen und Schüler wichtig. Bei älteren Klassen (3 und 4) gibt es zu Beginn der Woche eine Mail mit Linktipps, Ankündigungen wichtiger Tests und Klassenarbeiten an die Eltern. Am Ende der Woche erhalten die Eltern eine kurze Zusammenfassung der Woche. Alternativ bietet sich die Kommunikation über Seesaw an. Hierüber laufen Mitteilungen an die Eltern, private Nachrichten, Posts für die Schülerinnen und Schüler, Infos zu Hausaufgaben, Wochenaufgaben, Nutzung neuer Websites und Apps sowie die Erinnerung an vergessene Aufgaben.
Die Frage nach der geeigneten App stellt sich vor allem in den Klassen, in denen bisher noch kein ICT Unterricht stattfindet. Für die Klassen 1-3 bietet sich als Einstieg Skype an. Die meisten Eltern verfügen über einen Skype-Account, insofern ist die Einrichtung kein oder nur ein geringes Problem. Der Bildschirm kann geteilt bearbeitet werden. Auch Google Meet mit Klasse 3 und 4 hat sich bewährt. Es ist keine Anmeldung erforderlich. Über einen Link an die Eltern kann die erste Sitzung gemeinsam mit Eltern und SuS stattfinden. In der ersten Sitzung werden Regeln und technische Fertigkeiten besprochen. Auch bei Google Meet kann der Bildschirm geteilt werden, was die Visualisierung gerade im DaZ/DaF- Bereich erleichtert, Arbeitsblätter können eins zu eins auf dem Screen bearbeitet werden. Innerhalb einer Klasse sollten keine unterschiedlichen Apps verwendet werden, um es den Eltern und SuS einfacher zu machen. Also lieber nicht zwischen Google Meet und Skype wechseln. Alternativen wären Zoom, Webex oder Teamviewer. Die Funktionen, diese Anwendungen bieten, brauchen wir für die Grundschüler aber eigentlich nicht.
Hier geht es zu den Online Anwendungen