Neues aus der IGS

5 Jun 2020

Was denken unsere Lehrer über den Online-Unterricht?

Kurzzusammenfassung 

Die mehr oder weniger kontinuierliche Kopplung zwischen Lehr-und Lernprozessen wird im Online-Unterricht immer wieder unterbrochen. (Turn Taking) Rückkopplungen sind weniger komplex (Mimik, Gestik, Blick ins Heft, Augenkontakt, Körperhaltung) und erfordern ein kleinschrittiges, systematisches Testen, um eine vergleichsweise gute Diagnostik der Lernentwicklung zu erhalten und den Lernfortschritt eher weniger aktiver SuS abzusichern.

Die SuS sind im Online-Unterricht stärker auf ihre eigenen Kompetenzen angewiesen. Die Schülerleistungen sind vergleichsweise unverfälscht durch die Kompensation durch Gruppenleistungen – wobei in den unteren Klassen mitunter Eltern als Lernbegleiter unterstützen. Bei sehr erfolgreichen Lernern katalysieren bestehende Kompetenzen mitunter den Lernerfolg, während Lerner, deren Lerndefizite in der Klasse oft durch Gruppenleistungen und Scaffolding überbrückt worden sind, im Online-Unterricht aufgrund geringerer Kompensationsmöglichkeiten zu Tage treten und sich auch hier die Effekte oft verstärken. Dies gilt v.a. auch für die Bearbeitung komplexer Aufgabenstellungen.

Aufgrund der aufgehobenen komplexen/ direkten Rückkopplung werden Erklärungen a) präziser formuliert und/ oder visualisiert (u.a. da sie ohne nonverbale Kommunikation auskommen müssen) und werden b) weniger oft durch Zwischenfragen oder die Gruppendynamik unterbrochen. In diesem Sinn ist kann der Unterricht vielleicht auch als traditioneller, fokussierter und stärker der Sache als dem interaktiven Lerngeschehen verpflichtet angesehen werden. Es treten Verschiebungen im Hinblick auf den Kompetenzerwerb auf.
Selbstorganisation, Motivation, technische Voraussetzungen und ICT-/ Medienkompetenz bei Lehrenden und Lernenden sowie die Fähigkeit Online-Unterricht zu strukturieren und methodisch umzusetzen, sind entscheidende Erfolgsfaktoren für den Online-Unterricht (igs_online).

 Der Lernerfolg der SuS im Online-Unterricht entwickelt sich nicht proportional zum Präsenzunterricht, ist individuell sehr unterschiedlich und weist überdies Spezifika in den einzelnen Fächern auf. Ausgewählte Sprachfertigkeiten ließen sich beispielsweise vergleichsweise gut entwickeln.

Positive Effekte sind mitunter festzustellen bei SuS, die sonst zu schüchtern sind, Fragen zu stellen und jetzt die Möglichkeit des Rückfragens über Chatfunktionen oder die Arbeit in Breakout Rooms nutzen. Die Abwesenheit der Ablenkung durch Geräusche, verbale oder nonverbale Kommentierungen der Mitschüler*innen fallen als Störgrößen aus. Eltern als persönliche Tutoren in der Grundschule haben mitunter ebenfalls einen positiven Einfluss auf den Lernerfolg.

Der ganzheitliche Charakter der Lehr-lernprozesse ist stark eingeschränkt. Einschränkungen bestehen insbesondere auch im Hinblick auf mehrkanaliges Lernen, Anschaulichkeit, Experimente, Beobachtungen von Prozessen.
Paradoxerweise besteht beim Online-Unterricht eine Herausforderung in der Reduktion von Screenzeiten bei gleichzeitigem Erfordernis einer kleinschrittigen Lernbegleitung.
Eine der größten Schwächen liegt in der reduzierte Interaktion und einer vergleichsweise starke Lehrerzentrierung in den unteren Klassen.
In der Grundschule wurde der Unterricht in Kleingruppen als deutlich gewinnbringender erlebt.

Der Online-Unterricht wurde als aufwändiger, kleinschrittiger wahrgenommen. Er erfordere überdies andere, z.T. aufwendige Formen der Rückkopplung und Kontrolle. Bei der Bewertung dieses Eindrucks muss sicher bedacht werden, dass die Methodik für SuS und Lehrende vergleichsweise neu war und daher natürlich vergleichsweise aufwändig. In der Grundschule mussten die Materialien teilweise dahingehend ergänzt werden, dass Hinweise zur Durchführung an die Eltern formuliert werden mussten bzw. Materialpäckchen zusammengestellt wurden.

Wenngleich die Lehrenden davon berichten, dieselben Phasenstruktur im Unterricht zu verwenden, wie im traditionellen Präsenzunterricht, bleibt zu untersuchen, inwiefern es günstigere Alternativen gibt bzw. es einer grundsätzlich anderen Online-Didaktik bedarf.

Bei der Interpretation der Ergebnisse muss bedacht werden, dass das methodische Vorgehen im Online-Unterricht zunächst ebenso erworben werden muss, wie das methodische Vorgehen im traditionellen Präsenzunterricht.Auf welche Weise Aspekte des Online-Unterrichts gewinnbringend mit dem Präsenzunterricht verbunden werden können, wird Gegenstand von Workshops in der Schule sein.

Hier lesen Sie die Auswertung im Detail

Einleitung

Die International German School HCMC (IGS) ist eine Deutsche Auslandsschule mit bilingualem Profil. SuS aus 18 Nationen lernen in den Klassenstufen 1-10 an der IGS. Mit dem Start der IB-Diplomphase im SJ 2020/ 2021 wird die Klassenstufe 11 eröffnet. Einige der SuS besuch(t)en das Seiteneinsteigerprogramm für Lernende ohne oder mit sehr geringen Deutschkenntnissen.

Die Schulcurricula der IGS orientieren sich an den Thüringer Lehrplänen mit für die Region typischen Anpassungen. Die Hauptunterrichtssprache ist Deutsch; die Fächer Kunst, Geografie, ICT werden auf Englisch unterrichtet. Darüber hinaus lernen die SuS Französisch als Fremdsprache ab Klassenstufe 6. Das Fach Vietnamesisch als Muttersprache wird von allen vietnamesischen Muttersprachlern belegt; lediglich in Klasse 1 wird Vietnamesisch auch als Fremdsprache unterrichtet. Ab der Jahrgangsstufe 3 bis Klassenstufe 9 ist das Fach ICT mit 2 WST, in Klassenstufe 10 mit einer WST Teil des Stundenplans. Die SuS arbeiten in den Klassenstufen 3 und 4 mit iPads; ab Klassenstufe 5 verfügen alle SuS über ein Notebook (BYDP). Alle SuS der Klassenstufen 5 bis10 sind mit der Arbeit in virtuellen Klassenzimmern vertraut, welche nahezu allen Fächern auch vor den Covid-19 bedingten Schulschließungen genutzt wurden. In den Fächern Geschichte und teilweise im Fach Geographie werden interaktive Lehrbücher im Unterricht eingesetzt. Die SuS und Lehrenden sind weitgehend mit den Anwendungen, Google Office Suite (Class, Slides, Sheets) Quizlet, Kahoot, Anton vertraut.

Bedingt durch die landesweiten Schulschließungen aufgrund der Covid-19-Pandemie, wurde der Unterricht an der IGS innerhalb eines Tages auf igs_online umgestellt. Mit igs_online wird hier die Gesamtheit aller digital gestützten Unterrichtsaktivitäten an der IGS während der Zeit der Schulschließungen verstanden. Zunächst wurden in den Klassenstufen 1-3 Seesaw oder Skype eingesetzt, während in den Klassenstufen 4 bis 10 Google Classrooms und Google Meet zum Einsatz kamen. Später wurde sukzessive die Kommunikationsplattform Zoom verwendet.
In den einzelnen Jahrgangsstufen wurde wie folgt unterrichtet:

Klasse 1
Skype in Kleingruppen von bis zu fünf Lernern, Lehrvideos Englisch, Deutsch, Mathematik, Arbeitsmaterialien,Lehrmaterial in den Fächern: Deutsch, Mathematik, Sachkunde

Klasse 2
Seesaw, Skype in Kleingruppen von bis zu fünf Lernern, Lehrvideos Englisch,Deutsch, Mathematik, Arbeitsmaterialien, Lehrbücher in den Fächern: Deutsch,Mathematik, Sachkunde, Umstellung auf Zoom

Klasse 3
Seesaw, Skype in Kleingruppen von bis zu drei Lernern, Arbeitsmaterialien,Lehrbücher in den Fächern: Deutsch, Mathematik, Sachkunde, Englisch,Umstellung auf Zoom

Klasse 4-10
Unterricht entsprechend Stundenplan in den Fächern der Kontingentstundentafel,synchron Zoom oder asynchron Google Classrooms

Nach 10 Wochen igs_online wurde eine Erhebung unter den Lehrkräften in den Frühjahrsferien durchgeführt. Dabei gab es einen Fragebogen auf Deutsch, an dem sich bis auf einen alle im deutschsprachigen Programm beschäftigten Lehrkräfte beteiligten. (17 Teilnehmende) Für die Lehrenden und einen Mitarbeiter (IT) des nicht deutschsprachigen Programms (Kunst, ICT; Vietnamesisch, Geografie, Englisch; IT-Help Desk) wurde ein Fragebogen auf Englisch erstellt, an dem sich alle 8 Personen beteiligten.

Erfasst werden sollten Erfahrungen und Sichtweisen, welche die Lehrenden nach der Umstellung auf igs_online gewonnen haben. Es wurde von der Grundannahme ausgegangen, dass die Lehrenden während des Online-Unterrichts mit didaktischen Entscheidungen konfrontiert werden, welche Unterschiede zum traditionellen Präsenzunterricht signalisieren.
An der Umfrage haben 18 Personen angegeben unter 40 Jahre alt zu sein, 6 Personen gaben an, über 40 Jahren alt zu sein. 12 Teilnehmende gaben kreuzten an, Männer zu sein, 12 Frauen. 12 Teilnehmende gaben an, 3 oder weniger Tage für die Einarbeitung in igs_online benötigt zu haben, 11 Teilnehmende gaben an, mehr Zeit benötigt zu haben. Eine befragte Person gab keine Angaben.
Während 16 Befragte bereits vor dem Start von igs_online Erfahrungen in der Verwendung von Online Tools hatten, gaben 9 Teilnehmende an, keine Erfahrungen gehabt zu haben.

Didaktik/ Methodik

Fragen 8 bis 15
Wie bewerteten die Teilnehmenden der Untersuchung die Unterschiede im Hinblick auf das methodische Vorgehen im Online-Unterricht im Vergleich zu jenem im traditionellen Präsenzunterricht im Klassenzimmer?

8 a) Planung

Methodische Unterschiede im Vergleich zum traditionellen Präsenzunterricht

Die Mehrheit der Befragten schätzte den Online-Unterricht als vergleichsweise aufwändig ein. Der Unterricht sei kleinschrittiger im Hinblick auf Planung.
Die Planung des Online-Unterrichts erfolge engmaschiger, weniger offen und erfordere überdies die Erstellung von geeigneten Präsentationsformen, Lehrvideos, Verlinkungen von Aufgabenblättern, Kenntnis der Online Tools, o.Ä.
Der Einsatz von Lernvideos hätte den Vorteil, dass die SuS die betreffenden Unterrichtssequenzen so oft, wie sie möchten, wiederholen können. Sicher ist auch die räumliche Unabhängigkeit als weiterer Vorteil zu sehen.

8 b) Phasenstruktur (Erarbeitung, Festigung, Transfer)

Der Unterricht sei kleinschrittiger im Hinblick auf Durchführung. Aufgabenstellungen in der Grundschule müssen so formuliert werden, dass diese auch verstanden werden, wenn die SuS bei der betreffenden Lehrsequenz nicht anwesend sein konnten oder die Qualität der Übertragung zu schlecht gewesen ist. Jedoch sei insbesondere bei den jüngeren Lernern eine kleinschrittige Führung, Phasenwechsel und die Aktivierung beider Gehirnhälften notwendig. Die Verwendung von Materialien müsse sehr genau vorbesprochen werden, mitunter verliefe die Festigung “zäher.” In der Grundschule wird teilweise auch mit Checklisten gearbeitet.

8 c) Motivation

Wie schätzen die Lehrenden die Motivation im Online-Unterricht ein?

Die SuS im Online-Unterricht zu motivieren, schätzten die meisten Lehrende als eine besondere Herausforderung ein. Die Motivation sei weniger beständig; es sei mehr Eigenmotivation der SuS erforderlich. Lange Bildschirmzeiten, technische Probleme, schlechte Sprach- und Bildqualität wirken demotivierend. Anders als im Klassenzimmer der Schule, sei es schwierig, die potentiellen Ablenkungen in bis zu 18 Kinderzimmern, z.T. ohne richtige Arbeitsplätze, einzuschränken. Es wurde jedoch auch angemerkt, dass sich z.T. Verschiebungen einstellen und sonst eher schüchterne SuS eine stärkere Beteiligung zeigen, nachfragen und erfolgreich am Unterricht teilnehmen. Während die Anfangsmotivation zunächst bei den Lernenden sehr hoch war, setzten nach zwei Wochen Ermüdungserscheinungen ein, die ggf. auf die Gesamtsituation (Social Distancing, Begrenzung der Mobilität, z.T. Ausgangssperren) zurückzuführen sind.

Die Motivation der Erstklässler wurde als höher als im Präsenzunterricht eingeschätzt, weil Ablenkungen durch andere SuS nicht stattfinden und der Online-Unterricht eine Abwechslung zum Tagesablauf zu Hause darstellen. Die Lerneinheiten für die SuS der Klassen 1-3 sind kleiner als im üblichen Präsenzunterricht. (Selbst bei den Ferienangeboten nahmen fast alle SuS teil.) Wobei es wichtig sei, dass die jüngeren Lerner Sichtkontakt zur Lehrperson haben, um zu agieren. Im Verlauf des Online-Unterrichts zeigte sich, dass die Aufteilung in Kleingruppen in der Grundschule zu optimalen Ergebnissen führt.

8 d) Leistungsüberprüfung

Der Unterricht erfordere eine aufwändige Kontrolle. Dies sei nicht zuletzt auch der Tatsache geschuldet, dass eine direkte Rückkopplung über Gestik, Augenkontakt nur bedingt möglich ist.

Das Erfassen des Lernfortschritts bzw. die Absicherung des Verständnisses sei besonders dann schwierig, wenn SuS nicht selbst aktiv werden und um Hilfe bitten. Formate für die Leistungsüberprüfung bzw. die formative/ summative Bewertung des Lernergebnisse müssen an die Bedingungen im Online-Unterricht angepasst werden. Leistungsüberprüfungen müssen kürzer, häufiger und auf wenige Abstraktionsschritte reduziert werden. Es sei schwieriger, den Lernfortschritt der SuS zu “kontrollieren.”

Bei Leistungsüberprüfung muss ggf. ausgeschlossen werden, dass die SuS chatten, Spickzettel, Taschenrechner oder andere unerlaubte Hilfsmittel verwenden. Anwendungs- und Transferaufgaben seien deutlich geeigneter als Reproduktionsaufgaben, um Betrugsversuche auszuschließen. Eine Lehrkraft ging dazu über, alle Hilfsmittel zu erlauben – außer Kommunikationen unter den SuS. Von einer befragten Person wurde festgestellt, dass die Grammatikvermittlung im DaF-Online-Unterricht effektiver sei.

8 e) Rückmeldungen

Eine individuelle Rückkopplung in Bezug auf die komplexen Reaktionen der SuS, ihre Mimik, Gestik empfanden einige Teilnehmende als schwieriger. Man müsse im Online-Unterricht öfter kontrollieren. Im Musikunterricht sei beispielsweise ein ständiges Nachhaken, Rückfragen, Wiederholen notwendig.
Einige Rückmeldungen lassen aber auch darauf schließen, dass punktuell eine engere Rückkopplung möglich sei. Es müsste überprüft werden, ob sich Korrelationen zum Fach oder zu Themen feststellen lassen.
Vermutlich haben die Eltern, Geschwister, Freunde als Tutoren (1:1), ggf. auch deren Muttersprache, gerade in den Klassenstufen 1-4 einen starken Einfluss auf den Lernerfolg.

8 f) andere Aspekte

Komplexere Aufgaben könnten von schwächeren Schülern mitunter nicht bearbeitet werden.

Zusätzlicher Aufwand entstünde durch das Digitalisieren von Dokumenten oder gerade auch in den unteren Klassen durch Zusatzmaterialien, die Abholung durch die Eltern, das Scannen, das Einreichen, die Kontrolle und Ausgabe von erledigten Aufgaben o.Ä.

Interaktionen müssten stärker angeleitet werden; technische Begrenzungen und Möglichkeiten seien mit zu bedenken. Daher erfordert der Unterricht gerade in den unteren Klassen zunächst ein stark lehrerzentriertes Vorgehen mit zahlreichen erklärenden Materialien. Die sonst übliche Arbeit mit Wochenplänen sei in den unteren Klassen schwer oder nicht umsetzbar.

Direkt oder indirekt erfordern technische Probleme, z.B. bei der Übertragung oder auch mangelnde ICT-Kompetenz zusätzlichen Aufwand bzw. Kompensationsmaßnahmen.

In der Interpretation muss hier sicher bedacht werden, dass analog zum Unterricht, der Umgang mit Online Tools, Methoden, Strategien, Sozialformen wie im Präsenzunterricht erst einmal erworben werden muss. Ein Zurückgreifen auf bereits erworbene Routinen im Klassenzimmer ist kaum möglich. Die räumliche Vielfalt der Kinderzimmer als Unterrichtsraum muss mitgedacht werden.

Auf methodische Aspekte, wie die Verwendung von Kopfhörern, das Einschalten der Kamera zu Beginn der Stunde, das Stummschalten zu Beginn des Unterrichts, das Einrichten von Warteräumen sowie auf Sicherheitsaspekte wurde nicht eingegangen.

Nachteile bestünden im Hinblick auf den Einsatz von Experimenten. Diese würden durch Simulationen oder Analogien ersetzt. Fragen der Sicherheit bei der Durchführung von Experimenten zu Hause wurden nicht genannt, sind aber sicherlich ebenfalls eine wichtiger Aspekte der methodischen Überlegungen. Vermutlich kamen daher keine aufwändigen Experimente zum Einsatz.

Für den Kunstunterricht wurde bemerkt, dass die natürliche Differenzierung eines Klassenzimmers wegfiele. Das Fehlen praktischer Erfahrungen bzw. die Schwierigkeiten motorische Kompetenzen herauszubilden wurde deutlich.

In einem Fall wurde davon gesprochen, dass im Online-Unterricht traditionellere, d.h. weniger interaktive Methoden oder Arbeitshefte zur Anwendung kämen, vermutlich dort, wo diese bereits vorher verwendet worden sind, wie beispielsweise in der Grundschule. Diese Aussage ist wahrscheinlich auch vor dem Hintergrund der Notwendigkeit der Reduktion von Bildschirmzeiten zu interpretieren.

Grundsätzlich seien die “Medienkompetenz” der SuS sowie der Lehrenden ein wichtiger Einflussfaktor. Während bei den jüngeren Lernern die Lehrkraft bereits bei der Organisation einer Partnerarbeit vor Herausforderungen stehen kann, lässt sich eine Gruppenarbeit bei den medienkompetenten Lernern nach dem Prinzip unterschiedlicher Behandlungsräume in einer Arztpraxis sehr gut differenziert organisieren. Die Lehrkraft kann die Zuordnung der SuS kontrollieren, Zeitlimits setzen, Planungen veröffentlichen und zwischen den Räumen wechseln. Wobei auch hier die Fähigkeit zur Selbstorganisation der Lernenden und ihr technisches Knowhow begrenzende Faktoren sind. Für den Musikunterricht wird das Lernen durch Nachahmung als schwierig empfunden; die Erarbeitung müsse weitgehend selbständig erfolgen.
Im Hinblick auf die Strukturierung/ Phasen der Unterrichtsstunden stellten die meisten Befragungsteilnehmer*innen keine signifikanten Unterschiede zum Präsenzunterricht fest.

Worin sahen die Lehrenden die größten methodischen Herausforderungen für die SuS beim Online-Unterricht?

Präzise Arbeitsanleitungen, unmissverständliche Versprachlichung
Die Notwendigkeit präziser, unmissverständliche Arbeitsanweisungen wird als Unterschied zum traditionellen Präsenzunterricht herausgehoben. Arbeitsschritte müssen klar definiert sein. Der Sprache und Visualisierung scheint eine höhere Bedeutung zuzukommen, große Teile des üblichen Kommunikationskontexts fallen weg, was für einige SuS, aber auch für die Lehrenden z.T. als stark wirkender Nachteil wahrgenommen wird. So fehlt beim Vorlesen beispielsweise der non-verbale Kontext sowie die Reaktion der anderen SuS auf den Text.

Komplexe Rückkopplungsmechanismen im Klassenzimmer müssen kompensiert werden
Während der Präsenzunterricht offenbar eher eine “lineare Kopplung” zwischen den Lernenden und den Lehrenden herstellt, scheint die Kommunikation im Online-Unterricht eher einen interruptiven Charakter aufgrund des Turn Takings zu haben. Damit entfällt die ständige komplexe Rückkopplung bzw. die Möglichkeit des Einschreitens durch die Lehrperson im Klassenzimmer teilweise. Probleme scheinen nicht schon in den Zwischenschritten zutage zu treten, sondern z.B. erst bei der Abgabe der Aufgaben. Aufgrund der unterschiedlichen Arbeitstempi scheinen sich Abstände zwischen den SuS mitunter zu vergrößern. Zusätzliche Kontrollmechanismen müssen die physische Abwesenheit der Lehrperson kompensieren. Die Lehrenden müssten sich ständig der Aufmerksamkeit durch geeignete Rückkopplungen vergewissern. Schwierigkeiten von weniger aktiven Lernenden, die nicht in der Lage seien, über das eigene Lernverhalten zu reflektieren und schlussfolgernd Fragen zu stellen, würden oft vergleichsweise spät diagnostiziert.

ICT-Kompetenzen, Anwendung von Lernstrategien bzw. die Fähigkeit zur Selbstorganisation und -motivation bestimmen Erfolg

SuS mit hoher intrinsischer Motivation, entwickeltem, relevanten ICT Knowhow, anwendbaren Arbeits- und Organisationsstrategien entwickeln sich offenbar deutlich schneller, während SuS ohne die vorgenannten Voraussetzungen noch weiter zurückfallen. Hier stellt sich die Frage, inwiefern Schwierigkeiten leistungsschwächerer SuS im Präsenzunterricht deutlicher auffallen bzw. leistungsstärkere SuS im Präsenzunterricht ausreichend gefördert werden.

Nachteilig wirkt es sich aus, wenn sich SuS bei Problemen nicht aktiv bemerkbar machen. Der Online-Unterricht in der angebotenen Form erfordert ganz klar ein höheres Maß an Selbstorganisation, Selbstmotivation und Lernerautonomie – besonders beim selbständigen Bearbeiten eines Arbeitsplans, einem zweckmäßig organisierten Arbeitsraum mit guter Organisation der Arbeitsmittel/-materialien. Dies stellt gerade jüngere Lerner, denen die notwendigen Arbeitsstrategien fehlen, vor große Herausforderungen. Außerdem ist zu bemerken, dass die Arbeitsstrategien im Präsenzunterricht nicht einfach im Online-Unterricht übernommen werden können.

Interaktion im Klassenzimmer, Sozialformen, Sinneserfahrungen sowie der Erwerb von Kompetenzen wirkt reduziert.

Die Komplexität des Lernkontextes bei einem Sozialformenwechsel im Präsenzunterricht kann online nur bedingt umgesetzt werden. Im Präsenzunterricht lernen die SuS über viele Kanäle, beispielsweise haptische Erfahrungen, Experimente, etc. Diese Formen sind im Online-Unterricht stark reduziert. Die Vermittlung von Kompetenzen scheint hinter die Vermittlung von Inhalten zurückzutreten.

Unterstützung durch Lernbegleiter (Eltern, Geschwister, etc.) bei den jüngeren Lernern erforderlich

Es ist zu vermuten, dass die Lernbegleiter einen starken Effekt auf den Lernerfolg haben. Für die Lehrenden in den unteren Klassen bedeutet dies, dass die Aufgabenformate auch immer so aufbereitet sein müssen, dass diese den Eltern zugänglich sind. In Gesprächen brachten Kollegen immer wieder zum Ausdruck, dass das virtuelle Klassenzimmer kein geschützter? Raum mehr ist, sondern Eltern, Geschwister mitunter teilnehmen.

Der Aussage, dass einige SuS seit der Umstellung auf igs_online in Teilbereichen einen höheren Lernerfolg als im traditionellen Präsenzunterricht zeigten, stimmten 84% der Lehrkräfte zu, 16% waren nicht dieser Meinung. Mit “nein” votierten jeweils eine Lehrkraft aus den Fächern: Musik, Vietnamesisch (U6), ICT, Grund-/Orientierungsstufe.

Worin wurden die Ursachen für die Steigerung des Lernerfolgs einzelner SuS gesehen?

Im Online-Unterricht bestünden weniger Möglichkeiten der Ablenkung. Die SuS tragen oft Kopfhörer, sehen die Reaktionen der anderen SuS nur bedingt, Störungen sind ausgeblendet. Es herrscht eine höhere Konzentration in einer gewohnten Umgebung. Ein Verstecken oder Vortäuschen von Verständnis ist je nach Aufgabenstellung und Fach schwerer möglich.

Auch wird der Lernfluss weniger unterbrochen. (abgesehen von technischen Problemen) Die SuS bestimmen das Lerntempo weitgehend selbst, Gruppenräume bieten gute Differenzierungsmöglichkeiten, alle Schritte sind selbst entwickelt und werden weniger durch Zwischenfragen, Gruppenaktivitäten unterbrochen.

Die Aufgaben folgen einer klaren Sachlogik, die so entwickelt sind, dass sie für eine Selbsterschließung geeignet sind.

Einige Schüler scheinen sich weniger unter Druck gesetzt zu fühlen, haben weniger Sprechangst/ Schreibangst oder stellen ihre Fragen über die Chatfunktion.

Einige SuS fühlen sich in der digitalen Welt zu Hause und erleben den technischen Vorsprung als motivierend. Außerdem scheint bei einigen SuS ein Verständnis für die Verantwortung in dieser besonderen Situation vorzuliegen. Z.T. sind andere Kernkompetenzen gefragt.

Den jüngeren Lernern stehen die Eltern oder Geschwister als Lernhelfer zur Verfügung. Zumindest bei den jüngeren Lernern sind die Eltern stärker in den Lernprozess involviert, zeigen größeres Interesse, was auf die SuS mitunter motivierend wirkt.

Für einige Lernende stellt das virtuelle Klassenzimmer die einzige Abwechslung in der Isolation dar. Eine Lehrkraft stellte fest, die SuS würden fleißiger arbeiten.

Inwiefern die beobachteten Lerneffekte nachhaltig sind oder anwendungsbereites Wissen generiert haben bleibt zu testen.

Ungeachtet technischer Voraussetzungen/ Rahmenbedingungen fielen einige SuS nach der Umstellung auf igs_online hinter den Leistungsdurchschnitt der Mitschüler*innen zurück. Dieser Aussage stimmten 96% der Befragten zu. Lediglich eine Person im Bereich GS/ Orientierungsstufe widersprach.

Vielfältige Ursachen dafür wurden angenommen. Die SuS fühlten sich vor der Kamera nicht wohl, das Zwischenmenschliche und die Anwesenheit der Lehrkraft, als motivierende Momente fehlen. Der Lernkontext bietet wenig Möglichkeiten einer ganzheitlichen Lernumgebung. Es stellt sich somit schnell ein Gefühl von Belanglosigkeit, fehlendem Sinn ein. Sicher wurde der Online-Unterricht auch nicht sofort von allen SuS/ Familien als seriöse Schulsituation wahrgenommen. Es erhebt sich die Frage, welchen Einfluss Einstellungseffekte auf den Erfolg des Online-Unterrichts haben.

Außerdem entwickelten einige SuS Vermeidungsstrategien. Sie gaben vor, aufgrund technischer Probleme keine Verbindung zu haben, schalteten manchmal das Video aus und entzogen sich somit der direkten Kontrolle durch die Lehrenden. Ohne die Unterstützung der Eltern gerade in den unteren Klassen, kam es hier mitunter zu Freiräumen, welche die Grenzen des Unterrichts korrodierten.

Im Online-Unterricht sind die Lehrkräfte gezwungen, Ergebnisse deutlich engmaschiger zu kontrollieren, da die “Kopplung” im Lehr-lerngeschehen deutlich weniger kontinuierlich erfolgt. Eine Rückkopplung ist in stärkerem Maße nur “punktuell” möglich. Lernende sind im Online-Unterricht viel stärker von ihrer eigenen Leistung und ihrer intrinsischen Motivation abhängig; Lücken im Lernprozess können viel weniger durch Hilfen der Nachbarn, der Gruppe oder der Lehrenden überbrückt werden. Auf diese Weise erlauben Ergebnisse von Aufgaben zu einer vergleichsweise unverfälschten Diagnostik.

Während einige Lerner von der Abwesenheit “sozialer Störgrößen” oder auch dem Ausschalten von Nebengeräuschen profitierten, wurden andere SuS zu Hause oder auf dem Land bei den Großeltern doch stark abgelenkt – z.B. durch Geschwister, Haustiere, nebenbei laufende Chats, Familienmitglieder, die im selben Zimmer arbeiteten oder Fernseher, die im selben Raum liefen. Die fehlende Trennung von Lern- und Schlafraum, gepaart mit geringer Bewegung wurde ebenfalls als mögliche Ursachen für den sinkenden Lernerfolg gesehen.

Einigen SuS fiel gerade unter diesen Umständen, auch aufgrund der geringeren Freiräume bei der Gestaltung des Unterrichts sowie aufgrund der Begrenzungen, die durch das Kommunikationsmedium gegeben sind, die Konzentration recht schwer. Natürlich werden auch technische Probleme, z.B. bei der Übertragung als Ursachen für einen Abfall der Lernleistung gesehen.

Motivation und Selbstorganisation werden immer wieder als entscheidende Erfolgskriterien genannt. SuS die in diesem Bereich Schwächen aufwiesen, schienen im Online-Unterricht stark überfordert.

Im Online-Unterricht lassen sich nur bedingt Rückschlüsse im Hinblick auf das Verständnis der Lerninhalte aufgrund von Körperhaltung, Mimik, Gestik, Augenkontakt ziehen. Welche Alternativen nutzen die Lehrenden, um sicherzugehen, dass die SuS einzelne Lernschritte verstanden haben?

Viele Lehrende gaben an, stärker Anwendungsaufgaben zu stellen oder Aufgabenstellungen zu formulieren, die mit einer Erarbeitung verbunden sind. Insgesamt müsse man deutlich kleinschrittiger Vorgehen, (alle) schriftlichen Aufgaben kontrollieren, gezielt Fragerunden einbauen, Aufgabenstellungen erklären und an Beispielen wiederholen lassen, Raum für Zwischenzusammenfassungen oder das gegenseitige Erklären organisieren.

Insgesamt scheint eine präzise Sprache im Online-Unterricht an Bedeutung zu gewinnen – im Hinblick auf die Lehrersprache, als auch im Hinblick auf die Antworten der SuS. Einige Lehrkräfte arbeiten mit Abfragen, teilweise auch über Kahoot, Edpuzzle, Frageketten, fordern Rückmeldungen ein, ermöglichen Fragen über die Chatfunktion. In Fächern, die von praktischen Kompetenzen leben, wie Musik, Kunst, Sport fiel es besonders schwer, Rückschlüsse auf das Verständnis zu ziehen. Gerade in Kleingruppen sei der Blick in die Gesichter der SuS doch noch ein recht guter Indikator für das Verständnis.

Wie schätzen die Lehrenden den Lernzuwachs bei den SuS im Online-Unterricht (igs_online) im Vergleich zum traditionellen Präsenzunterricht ein?

Insgesamt wurden einzelne positive Aspekte des Onlineunterrichts herausgestellt:

Der Erwerb von Faktenwissen (Sachkompetenz) gelänge im Online-Unterricht schneller als im traditionellen Präsenzunterricht meinen 48%, 20% schätzen ein, dass der Erwerb von Fakten nicht schneller erfolgen würde und 32% stellen keinen Unterschied fest.
Der Online-Unterricht erlaube es, besser auf das individuelle Lernverhalten der SUS einzugehen glauben 48% der Befragten, 32% sind gegenteiliger Auffassung. Lediglich 16% (4 Personen) sehen keinen Unterschied.

Kritischer wurden folgende Aspekte gesehen:

Gemessen an der Abrufbarkeit meinen 24%, dass der Erwerb von Faktenwissen im Online-Unterricht nachhaltiger wäre, 32% meinen, der Erwerb von Faktenwissen sei nicht nachhaltiger im Onlineunterricht, 44% stellen keinen Unterschied fest.
Der Erwerb von Arbeitstechniken und Methoden (Methodenkompetenz) im Online-Unterricht sei im Online-Unterricht im Allgemeinen schwieriger, meinen 72% der Befragten, 12% erachten den Erwerb als einfacher, 16% erkennen keine Unterschiede.
Bezüglich des Transfers von Wissen meinen 12%, dass dieser im Online-Unterricht einfacher sei, 48% meinen der Transfer sei schwieriger, 40% erkennen keine signifikanten Unterschiede.

Wie sieht es bei der Vernetzung von Konzepten im Online-Unterricht aus? Diese sei einfacher, meinen 16%, 32% meinen die Vernetzung sei schlechter, 52% stellen keine Unterschiede fest.

Dass die Herausbildung interkulturellen Bewusstseins besser im Online-Unterricht gelänge meinen 12%, 36% sind der Auffassung dass sich interkulturelles Bewusstsein weniger gut im Online-Unterricht herausbildet, 44% erkennen keinen Unterschied.

Auf die Frage, welche Kompetenzen (kognitiv, affektiv, motorisch, sozial, etc.) sich im Online-Unterricht nicht oder nur sehr schwer erwerben lassen, wurden folgende Kompetenzen genannt:

  • motorische, affektive und soziale Kompetenzen
  • Gesprächskompetenz
  • kommunikative Kompetenzen, die über die Sachebene hinausgehen
  • debattieren und diskutieren erfordern aufgrund der medialen Voraussetzungen enge Regeln
  • Kompetenzen im Zusammenhang mit der Wahrnehmung, Beobachtung, Analyse von Prozessen sowie diverse methodische Kompetenzen.

96% der Befragten meinen, der Online-Unterricht erfordere ein höheres Maß an Selbstorganisation, lediglich eine Lehrkraft war nicht dieser Auffassung.

Um die Interaktion zwischen den Lernenden im Online-Unterricht dennoch zu ermöglichen, nutzen die Lehrenden u.a. die kollaborative Bearbeitung von Dokumenten, gemeinsame Präsentationen, Moderationen, Protokollanten, Formen des gegenseitigen Abfragens, Leseketten, Interviews, Diskussionsrunden, Meldeketten oder Wettbewerbe. Viele Lehrkräfte setzen Breakout Rooms für Gruppenaktivitäten ein oder arbeiten mit Online Tools, wie Anton, Schlaukopf, Sofatutor oder Padlet.

Im Vergleich zum traditionellen Unterricht vermissen die Lehrenden am meisten den persönlichen Kontakt, den Ausdruck von Emotionen, die Nähe zu den Schülern, die Klassengemeinschaft – die Vibes echter Menschen, spaßige Situationen sowie Lieder oder die Geschichten in den Pausen. Schulleben beinhaltet eben auch Feste und Veranstaltungen. Ein räumliches Verweisen auf Wandtafeln, Objekte im Raum oder Experimente bzw. praktisches Tun. Vielen Lehrenden fehlt die methodische Vielfalt auch im Hinblick auf Aspekte, wie Gruppenfindung durch Reimwörter, Sitzkreise. Es fehle die große Bandbreite der Möglichkeiten des Feedbacks, der nicht abreißende Überblick der gesamten Klasse sowie die Möglichkeiten der Würdigung und die nonverbale Interaktion.

Welchen Einfluss hat der Online-Unterricht auf das eigene Leben und die Arbeit mit den Kolleg*innen?

Der Situation geschuldet gibt es weniger Bewegung, die langen Bildschirmzeiten, Hintergrundgeräusche belastend und wirken sich physisch und sozial aus. Der Unterricht (sicher auch aufgrund der Ausgangsbeschränkungen) wurde zum Lebensmittelpunkt, Außerschulisches, die Work-Life-Balance fehle. Von Vereinsamung war u.a. die Rede. Es wurde aber auch erwähnt, dass einige Lehrkräfte gerade wegen der Situation im Rahmen des im Cocooning möglichen, mehr gemeinsam unternehmen würden.

Es gibt keine Pausengespräche, Kollegialität, die Abstimmung mit den anderen Lehrenden sei noch wichtiger geworden. Fächerübergreifendes Arbeiten sei schwieriger, wurde einmal erwähnt. Eine Kolleg*in erwähnte aber auch, dass sich die Kommunikation/ Abstimmung verbessert hätte. Auch fehle die Rückmeldung anderer Kolleg*innen. Eine Kollegin erwähnt, dass ihr das Unterrichten weniger Freude bereiten würde.

Insgesamt erfordere der Online-Unterricht mehr Zeit für die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts sowie das Korrigieren. Technische Probleme vermittelten das Gefühl einer Behinderung des Unterrichts. Einige Argumente implizierten, dass der Unterricht “fokussierter” abliefe.

Was sind die wichtigsten Gelingensbedingungen für den Online-Unterricht aus Sicht der Lehrenden?

Technik, Unterrichtsorganisation (Vorbereitung, Planung, Durchführung, Routinen, Regeln sowie klare Strukturen, Lernumgebung, Veranschaulichung, Bereitstellung von Materialien, spannende Inhalte) und Motivation/ Einstellung der Lernenden wurden signifikant häufig genannt.

Weitere genannte Aspekte, die sich z.T. mit dem vorgenannten Aspekten überlappen waren: Selbstorganisation, die technische Kompetenz der Lernenden und Lehrenden, Versprachlichung, Klare Zielsetzung und Aufgabenformulierung, Sicherstellung des Verständnisses (der Aufgabenstellungen), Kontrolle und Einhaltung von Deadlines, geringe Gruppengrößen und homogene Lerngruppen, Reflexion, zeitnahes Feedback an die SuS, Empathie, Gelassenheit der Lehrkräfte, Ausgleich, Veranschaulichung, Anwesenheit der SuS, Schulmanagement, individuelle Zeiteinteilung (in den größeren Klassen) ggf. flexiblere Leistungsbewertung und höhere curriculare Flexibilität.

Inwiefern ließen sich Veränderungen im Hinblick auf die Qualität der Verwendung der Fremd-/Zweitsprache Deutsch bei den SuS in den Sachfächern seit der Einführung des Online-Unterrichts feststellen? (z.B. Fachdiskurskompetenz, Wortschatzentwicklung, Sprachliche Korrektheit usw.) Wenn ja, worin sehen Sie die Ursachen?

Bezüglich der Entwicklung des Wortschatzes wurden unterschiedliche Erfahrungen gemacht.

Einige Lehrkräfte stellten fest, dass die Wortschatzerweiterung effektiver sei, andere Lehrkräfte stellten keine Veränderungen fest. Es wurde aber auch der Eindruck verbalisiert, dass der Wortschatz stagnieren würde oder gar “rückläufig” wäre. Mehrfach wurde bekräftigt, dass einige Kinder Fortschritte aufzeigen würden, allerdings passive SuS schnell “durchs Netz fielen.”

Es wurde auch in diesem Bereich deutlich, dass Sprachverwendung pragmatische Aspekte, Kontext, non-verbale Aspekte beinhaltet. Von einer Teilnehmer*in wurde berichtet, dass die sprachliche Korrektheit sinke, wegen mangelnder Übung, fehlender Motivation. Das Fehlen der natürlichen Anwendung, z.B. in den Pausen fehle.

Auf die Frage welche Fertigkeiten, Erfahrungen die Lehrenden nach dem Start von IGS_online hinzugewonnen hätten, traten drei Aspekte stark in den Vordergrund:

Methodenkompetenz (Technik, EdTech), Methodik/ Struktur, Sprachenfokus im Hinblick auf die Verwendung der eigenen Sprache, Aufgabenformulierungen, Erklärungen und die Motivation über Sprache. Darüber hinaus wurden genannt: Unterricht in Kleingruppen, Einstellung zur Bedeutung des Interpersonellen, differenziertes Arbeiten.

In folgenden Bereichen des Online-Unterrichts würden sich die Lehrenden gern weiterbilden: Technik, EdTech (Online Tools, Google Forms, Zoom, effektives Erstellen von Lernvideos, Präsentationen, Best Practice Beispiele/ Hospitationen, Simulationen), Rechtliche Aspekte, Förderung der sozialen Interaktion, Arbeiten mit unterschiedlichen Materialien, Unterrichtsplanung/ Struktur, Einbeziehung von (praktischen, umweltfreundlichen) Aktivitäten und Spielen, Prüfungssituationen, Online-Teaching in der Grundschule, DaF.

Etwas 95% der SuS an der IGS lernen Englisch als Fremdsprache oder Zweitsprache. Wie haben die Lehrenden den Einfluss des Online-Teachings (igs_online) auf den Fremdsprachenerwerb (Englisch) bewertet?

Online-Unterricht (igs_online) hatte einen positiven Einfluss auf die Sprachlernmotivation meinen 50% (4) der Befragten, 25% (2) stellten keine Veränderungen fest, 25% (2)sahen einen negativen Einfluss. Bezüglich der Wortschatzentwicklung stellten 25% einen positiven Einfluss fest, 50% waren sahen keine Veränderungen; lediglich eine Person stellte einen negativen Einfluss fest. Im Hinblick auf die Aussprache waren 4 Personen der Meinung, dass es keine Veränderungen gab, 3 Befragte stellten sogar eine Verbesserung fest; eine Verschlechterung wurde von keinem Befragten attestiert. Bezüglich der grammatikalischen Korrektheit stellten 71% sogar eine positive Entwicklung, 29% sehen keinen Unterschied. Im Hinblick auf das Hör- und Leseverstehen meinen 85% einen positiven Einfluss verzeichnen zu können, lediglich eine Lehrkraft sieht keine Unterschiede.

Bezüglich der produktiven Fertigkeiten – hier Schreiben – sehen 57% einen positiven Einfluss, 28% keine Veränderungen, eine Person stellte eine Verschlechterung fest. Im Hinblick auf das Sprechen sieht niemand der Befragten eine Verschlechterung. 43 % sehen einen positiven Einfluss, 56% sehen keinen Einfluss. Wie schätzten die Befragten den Einfluss des Online-Unterrichts auf das Verstehen von Inhalten ein? 71% stellen einen positiven Einfluss fest, 14% sehen keinen Einfluss, lediglich eine Person stellt eher einen negativen Einfluss fest. Bezüglich der Entwicklung von Lernstrategien 71% einen positiven Effekt feststellen zu können, die übrigen Befragten sehen keinen Einfluss.

Anmerkungen zum Format des Fragebogens.

Es ist nicht auszuschließen, dass die Befragten das Feststellen eines Lernzuwachses gleichsetzten mit der Frage nach einem positiven Effekt des Online-Unterrichts auf die einzelnen Aspekte des Spracherwerbs. Es sollte weiter untersucht werden, inwiefern sich ein Unterschied in der Bewertung durch Sprachlehrer und Lehrenden, die Sachfächer in der Fremd-/ Zweitsprache unterrichten feststellen lässt. Interessant wäre ein Vergleich der Einschätzung der Sprachlehrer DaF/ DaZ im Vergleich zu den Sprachlehrern Englisch. Die Auswertung der Erklärungen für die Wahrnehmungen ist schwierig, da keine klare Zuordnung zwischen Einzelfrage und Erklärung im Design des Fragebogens berücksichtigt worden ist.

Etwa 60% der SuS an der IGS lernen Deutsch als Fremd- oder Zweitsprache. Wie schätzen die Lehrenden die Wirkung des Online-Unterrichts auf den Spracherwerb der Fremd- und Zweitsprachenlerner (Deutsch) ein?

Folgende positive Wirkungen stellten die Lehrenden fest:

Im Hinblick auf das Hörverstehen meinen 42% einen positiven Einfluss verzeichnen zu können, lediglich drei Lehrkräfte sehen keine Unterschiede, 33% sehen einen negativen Einfluss. Ähnlich wird auch die Wirkung auf das Leseverstehen eingeschätzt: 50% sehen einen positiven Einfluss, 25% können keinen Einfluss feststellen, 25% sehen einen negativen Einfluss.

Demgegenüber stehen folgende negative Aspekte:

Im Hinblick auf die Aussprache waren 3 Personen der Meinung, dass es keine Veränderungen gab. Ganz anders als im Bereich Englischunterricht stellten 75% der Befragten stellten eine Verschlechterung fest.
Online-Unterricht (igs_online) hatte einen positiven Einfluss auf die Sprachlernmotivation meinen 17% (2) der Befragten, 17% (2) stellten keine Veränderungen fest, etwa 66% (8)sahen einen negativen Einfluss.
Bezüglich der Wortschatzentwicklung stellten 17% einen positiven Einfluss fest, 34 % waren sahen keine Veränderungen; 50% stellte einen negativen Einfluss fest.
Bezüglich der produktiven Fertigkeiten, hier die Schreibkompetenz, sehen 25% einen positiven Einfluss, 25% keine Veränderungen, weitaus mehr Lehrkräfte als im Englischunterricht – hier 50% – stellen eine Verschlechterung fest.
Bezüglich der Entwicklung von Lernstrategien glauben 25% einen positiven Effekt feststellen zu können, 25% sehen keinen Einfluss, 50% glauben einen negativen Einfluss festzustellen.

Etwa 16% sehen einen positiven Einfluss, 42% sehen keinen Einfluss und 42% stellen einen negativen Einfluss auf das Verstehen von Inhalten fest.
Bezüglich der grammatikalischen Korrektheit stellten deutlich weniger als im Englischunterricht – nämlich lediglich 25% eine positive Entwicklung fest, 33 % sehen keinen Unterschied, etwa 42% sehen im Gegensatz zum Englischunterricht einen negativen Einfluss.
Im Hinblick auf die mündliche Sprachkompetenz sehen 17% einen positiven Einfluss, 17% können keinen Einfluss feststellen. Während im Englischunterricht niemand einen negativen Einfluss auf die Sprachkompetenz diagnostiziert hat, gehen etwa 66 % der Befragten von einem negativen Einfluss im Bereich mündliche Sprachproduktion Deutsch aus.

Die Ursachen für die Veränderungen sehen die Befragten in der fehlenden gemeinsamen Kommunikation, technische Herausforderungen, SuS könnten sich “ausblenden.” Das Sprachbad fehle, der Online-Unterricht sei unverbindlicher, die SuS seien deutlich stärker von sich selbst abhängig. Geichzeitig sind die SuS gezwungen, sich viele Zusammenhänge primär über die Sprache zu erschließen. SuS müssen Probleme sprachlich beschreiben, um verstanden zu werden. Eine präzise Ausdrucksweise ist besonders wichtig. Schneller arbeitende SuS würden nicht “ausgebremst”. Konkret wurde erwähnt, Grammatikerwerb sei einfacher, die Erkennung von Zeitformen. Vermutet wurde, dass die Visualisierung stark unterstützte. Bei der Wortschatzeinführung fehlte die Möglichkeit verschiedene Sinneskanäle zu aktivieren.

Unabhängig von den konkreten Fragestellungen notierten die Befragten folgende Aspekte im Hinblick auf den Online-Unterricht (igs_online).

Der Online-Unterricht erfordere eine sehr intensive Elternarbeit in den unteren Klassenstufen. Eltern “müssten Ersatzlehrer spielen.” Aspekte der Sicherheit im Netz, die Reduzierung von Präsenzzeiten, Ordnung am “virtuellen Arbeitsplatz” warfen Fragen auf. “Durchziehen des Lehrplans erzeuge Ungerechtigkeit” und würde Bildungsauftrag unterminieren bzw. Druck bei Eltern und SuS erzeugen. Online-Unterricht in dieser form sei “zu starr, zu tradiert.”

Die Klassenleitungen hätten weniger Einblick. Formen der Qualitätssicherung und auch Qualitätskriterien für guten Online-Unterricht müssen gefunden werden.